Unter Aufsicht
der UNRRA Von Heinz Leitsch Anfang April 1945 führte die US Armee starke Truppenverbände an das Truppenlager Wildflecken heran. Gefangenenaussagen hatten offenbar die Ansicht genährt, dass das Lager durch SS-Verbände verbissen verteidigt werden würde. Tatsächlich jedoch fielen nur wenige Schüsse und auch der durch die Amerikaner erwogene Einsatz eines Bombergeschwaders, wie er in dem Chroniken der beteiligten US Divisionen belegt ist, der Lager und wahrscheinlich auch den Ort Wildflecken in Schutt und Asche gelegt hätte, konnte unterbleiben. Nur wenige Gebäude waren durch deutsche Verwundete belegt und wurden rasch durch die Besatzer evakuiert. Die riesigen Ausmaße des Lagers machten bereits früh die Flüchtlingsorganisation UNRRA (United Nations Relief Rehabilitation Administration) auf die Anlage aufmerksam, die dringend Unterbringungsmöglichkeiten für durch die Deutschen verschleppte Zwangsarbeiter aus den ehemals besetzten Gebieten suchte. Ziel der UNRRA war es, diese "Displaced Persons", kurz "DPs" genannten Personen getrennt nach Volksgruppen im ehemaligen Reichsgebiet zu sammeln und von dort aus in ihre Heimatländer zurück zu führen. In diesem Zuge wurden im Lager Wildflecken ab Mai 1945 knapp 20.000 polnische "DPs" zuammengezogen. Zunächst unter der Verwaltung der US Armee, gelang es aufgrund der erheblichen Überbelegung des Lagers, grassierenden Krankheiten, Mangel an Lebensmitteln, Medikamenten und Kleidung und auch einer gewissen Rachsucht der nun befreiten Polen nicht, ein Mindestmass an Ordnung im Lager herzustellen. Plünderungen der angrenzenden Ortschaften, eines Wehrmachtzuges mit Lebensmitteln der am Arnsberg abgestellt war und Raubüberfälle, teilweise mit Todesfolge, auf Einheimische waren an der Tagesordnung. Eine Verbesserung der Verhältnisse ergab sich mit der Übernahme des Lagers durch ein UNRRA-Team, Ende Mai 1945. Lagerleiterin wurde die amerikanische Journalistin Kathryn Hulme, die später Leiterin aller Lager im amerikanischen Sektor wurde. Hulme verarbeitete ihre Erlebnisse später in dem Buch "Wild-Place", das in den USA zum Bestseller wurde und 1952 den "Atlantic Non-Fiction Prize" gewann. Durch die Installation eines kommunistischen Regimes in Polen wurde der Rücktransport der polnischen "DPs" nach Polen jedoch immer mehr zum Problem. Besonders der Teil Polens, der 1939 von der Sowjetarmee besetzt worden war, gehörte mittlerweile nicht mehr zum polnischen Staatsgebiet. Als Ersatz waren die ehemaligen deutschen Ostgebiete Polen zugeschlagen worden. Diejenigen Polen, die also ursprünglich aus dem nun russisch gewordenen Teil Polens kamen, waren heimatlos geworden und weigerten sich zurück zu kehren. Manche die bereits nach Polen zurückgekehrt waren, schlugen sich durch den sowjetisch besetzten Sektor durch und kehrten nach Wildflecken zurück. Sie berichteten von Repressionen gegen die Rückkehrer und schilderten die Zustände im sowjetisch dominierten Polen. Immer weniger Polen waren daraufhin bereit in ihre Heimat zurück zu kehren. Auch die gewaltsame "Repatriierung", die eine Zeitlang durchgeführt wurde, endete nach dem einige DPs es vorgezogen hatten vorher Selbstmord zu begehen. Als Folge dieser Situation ergab es sich daher, dass aus dem kurzen Aufenthalt der ja nur bis zum Rücktransport nach Polen anhalten sollte, teilweise fünf und mehr Jahre im Lager wurden. Der dichte Wald, der Lager Wildflecken bis 1945 Tarnung und Schutz geboten hatte war bald verschwunden. Tag und Nacht rauchten die Schlote der Feldbäckerei im Lager, in der mehrere Tonnen Brot pro Tag gebacken wurden. Um die Gebäude vor allem im Winter warm zu halten, schnitten die Bewohner Hölzer aus den Dachstühlen, sogar die inneren Flügel der Kastenfenster wurden ausgebaut und verheizt. Da es der UNRRA bis 1947 noch immer nicht gelungen war, den Massen der polnischen DPs Herr zu werden, wurde die Organisation kurzerhand von ihrer Aufgabe entbunden. Im Juli übernahm daher die IRO (International Refugee Organisation) Lager Wildflecken. Ziel war nun nicht mehr die Rückführung nach Polen sondern die Verteilung der "DPs" auf Länder in Europa, Amerikas und Australien. Dazu führte die IRO Sprachkurse sowie berufliche Qualifizierungsmaßnahmen durch. Insbesondere die Auswanderung in die USA gestaltete sich schwierig, da dafür erst das für alle Volksgruppen geltende Quotensystem entsprechend verändert werden musste. Erst durch den "U.S. DP Act" von 1948 wurde es für viele polnische "DPs" möglich in die USA, außerhalb der Quote einzuwandern. Als Lager Wildflecken 1951 geräumt wurde, um Platz für das US Militär zu machen, waren jedoch längst nicht alle Polen ausgewandert. Viele wurden auf andere Lager verteilt und mussten dort bis 1953 ausharren, bis auch für sie eine Lösung gefunden wurde. Weitere Informationen zum "Displaced-Persons-Camp Wildflecken" gibt es im Internet unter www.dp-camp-wildflecken.de oder unter www.truppenlager-wildflecken.de.
Bild: Laufen lernten hunderte polnische Kinder, wie hier Sophia Kazparek (rechts) mit ihrem Bruder Adam, auf der Pflasterstraße im Truppenlager Wildflecken.
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